[Squeak-ev] "Lehrplan für 2 Kinder" ...

Harald M. Müller harald_m_mueller at gmx.de
Fre Okt 22 07:49:26 UTC 2004


[Erster Mal gesendet am 25.9.2004.]

Hallo -

wie angedroht, lasse ich mich einmal über unsere "Lehrplanproblematik"
aus.

["off-topic"-Bemerkung noch vorher: Schieberegler funktioniert großartig
- v.a. auch bei der Automatiksteuerung kann man durch Rückwartsfahren
die Straße wieder finden ...].

Als Vorbemerkung: Ich bin kein Schullehrer - wahrscheinlich ist die
Hälfte meiner Fragen bei den wirklich Pädagogen schon gelöst ... weiß
ich halt nicht :-)


A. Ich habe naiv und ohne "Lehrplan" begonnen, nur mit folgenden Ideen:

A1. Wir machen miteinander bis zum automatisch gesteuerten Auto; - hat
wegen des Anfangsdrive genau ein Wochenende gebraucht!
A2. Ideen, was wir danach machen, werden uns schon einfallen; - stimmt!
A3. Es gibt ein Beispiel, das ich "irgendwann einmal" machen möchte:
Simulation von 3 Planeten mit Schwerkraft.

Der erste Punkt war, wie gesagt, ziemlich schnell vorbei - eigentlich
dachte ich, dass ich mit dem "vorgegebenen Material" 2..3 Samstage
durchhalte; aber wir waren halt alle drei "high" letztes Wochenende.
Nachdem wir die Autos auf der Straße hatten (jedes ca. 5 Mal von vorne
begonnen ... wegen diversen Problemchen), sind sie uns an scharfen
Kurven (natürlich, würde der Regelungstechniker sagen ;-) )
hinausgefahren - also hatten wir schon das erste unerwartete Problem und
einen offenen Punkt für heute. Lukas und ich hatten jeder eine
Lösungsidee, Katrin war auch so mit ihren zwei Autos (jedes einzeln
gezeichnet) zufrieden.
Nun habe ich mir zwei Sachen überlegt: Zum einen EToys-Beispiele.
Gestern sind mir eingefallen:

* zwei Reibräder, die sich mit korrekter Geschwindigkeit drehen
("Zahnradgetriebe")
* ein Einmaleins-Trainer (aus gegebenem Anlass :-) )
* eine Aufzugsimulation
* das Bricks-Spiel
* eine Rakete startet auf einem Körper (Kugel), fliegt zum anderen,
dreht sich an der Grenze zur Lufthülle um und sinkt mit langsamerer
Geschwindigkeit zu Boden.
* eine Schlange, die "schön" kriecht (motiviert durch Katrin: Sie hat
statt des Autos letzte Woche eine Schlange gemalt; aber die bewegt sich
dann "starr" - das ist falsch. Da muss man doch was tun können :-) ).
* Simulation des 2...3...-Körper-Problems (Planetenbewegung)

Bei so ziemlich allen diese Beispielen kann man einerseits soweit
vereinfachen, dass sie eigentlich mit den "Automitteln" funktionieren
müssten (Aufzug braucht z.B. "Fühler", um Stockwerk zu finden; eine
Farbe je Stockwerk); oder man kann sie realistisch machen - dann braucht
man viel mehr (z.B. 

- bei den Reibrädern und Planeten den Radius der Grafik; 
- bei den Rädern eine Bedingung, die prüft, ob der Abstand der
Mittelpunkt gleich r1+r2+-epsilon ist = "Berührbedingung". 
- Ein "Abstand zu" wäre da gut - wobei sich die Frage stellt, wohin der
Abstand gemessen wird [graphischer-Drehmittelpunkt ist wohl ok]. 
- Auch: Wie kann man exakte Kreise zeichnen - sonst eiern die Räder.
Zwei Ideen: 
** Mit Pinsel einen Kreis hinpflanzen und dann vergrößern/verkleinern. 
** Oder ein "Auto" einen Kreis zeichnen lassen [aja - das mit dem
Zeichnen hatten wir auch noch nicht ... wäre vielleicht nett]. Aber wie
kann man die vom Auto gezeichnete Grafik a la "Keep" übernehmen?
** Ich bräuchte dazu wohl auch dx und dy oder besser noch dr und/oder
dphi- wieviel hast Du dich im letzten Schritt bewegt/gedreht).

... zurück zum Thema "Lehrplan": Wenn man ehrlich ist, ist die Liste
oben natürlich kein "Lehrplan" - es ist eine Liste von Beispielen, die
alle mehr oder weniger Spaß machen. Also habe ich mir auch eine
"abstrakte Liste von Lehrinhalten" kurz überlegt (so wie ich das für die
Java-usw.-Kurse gemacht habe, die ich erstellt habe und halte) - ca. so:

Auto bauen                -> Agieren, malen 
Auto fahren lassen        -> automatische Wiederholung verstehen
Lenken mit 1:1-Verbindung -> Variablen/Slots; und ihre Verbindung
Lenken mit 1:10           -> Was ist eine Formel
Automatik                 -> if-then-else; und Sensoren (über Farbe)

- aber ich bin mir weder sicher, ob das für Kinder relevant ist, noch
eigentlich, ob es für Erwachsene relevant ist (ich muss in meinem Job
auch nicht "das if-then-else verstehen", sondern ein Problem mit
Bedingungen lösen) - daher endet die Liste auch hier.
Man könnte - z.B. der Ausbildung in chinesischer Malerei folgend - eben
auch argumentieren, dass einfach das (Nach- und Selber-)Machen von
Beispielen das Verständnis fördert. Eine "Zuordnung" zu anderen Dingen
der Welt können wir später auch noch machen ...



B. Ich habe mich jetzt entschieden, dass es auch "Hausaufgaben" geben
wird oder "Challenges" oder wie man das nennen will: Heute z.B. (Idee
von Lukas): Auto mit Lenkrad von letzter Woche, aber zusätzlicher
"Sicherheitsschaltung", die das Auto stoppt, wenn es von der Straße
herunterfährt.



C. Mathematische Formeln in Programmen (Skripts): Die brauchen "Slots"
oder "freie Werte" oder "Variablen" - was ein Konzept der Algebra ist.
Das können beide noch nicht (in der Grundschule steht nur Arithmetik und
- ganz wenig - "Rate-Algebra" auf dem Lehrplan). Wie soll es ablaufen?

C1. Das Konzept der Variablen, des "für mich unbekannten; aber dann
jeweils schon fixierten Wertes" *durch das Programmieren* verstehen und
auch erklärt bekommen. Das ist ein schwieriges Konzept - ich hab's Lukas
schon ein paarmal an Beispielen erklärt (und ich bilde mir, sowas für
[meine] Kinder ganz gut erklären zu können); aber "gezündet" hat es bei
ihm noch nicht ...

C2. Warten, bis die Schule das auf herkömmliche Art macht (wann? keine
Ahnung) - aber da beißt sich die Katze in den Schwanz: Wir wollen ja
(alle?) mit Squeak o.ä. die Lernmethoden verbessern; und glauben auch,
dass man damit 

Also wohl:
C3. Beim Programmieren "machen" - dann bildet sich im Kopf schon
irgendein Bild heraus .... (dafür hätte ich aber gerne meine "roten
Abhängigkeitspfeile" aus der letzten EMail). Aber das verhindert einige
ganz elementare Dinge (den Schieber z.B. - oder auch nicht: Weil man das
Umformen auf abstrakter Ebene wohl nicht braucht [der Formeleditor
sollte aber richtig sein ...]).

Ich mache wohl weiter wie bisher: Wir machen Beispiele Beispiele
Beispiele - auch jedes Versehen ist eine Chance zum Wiederholen (z.B.
wird das Auto halb abgeschnitten, wenn man zu nahe am Rand das "Neu
zeichnen" aufruft - na, dann halt von vorne: Eine nicht schlechte Art
von Lernen, wenn man's gern oder selbstverständlich macht). Und
dazwischen greife ich natürlich schon zu Papier und Bleistift und will
erklären - geht aber schwer, weil beide natürlich weiter am Computer
herumhantieren ... In "großen" (Erwachsenen-)Kursen passiert mir
dasselbe, dann werde ich Diktator: "Jetzt hören alle mal auf - auch
Sie!!" Mit den Kindern werde ich wohl - gegen meine "Erklärsucht" -
einmal wirklich das Gegenteil probieren - denn sie kommen ja doch
irgendwann mit Fragen, wie alles zusammenhängt - und manchmal sogar
zuviel davon. Ich muss mich nur drauf einstellen, dass ich darauf warte
oder wenigstens nur behutsam (durch Beispiele und Aufgaben)
dorthinsteuere!


D. Soll man Beispiele "ausschlachten bis zum Geht-nicht-mehr"?
Die Autos werden langsam langweilig, scheint's. Andererseits sind wir
dort gut genug, um interessante Ergänzungen zu machen und neue Dinge
auszuprobieren (z.B. der unerwartete Effekt, dass sich zwei Autos mit
den Nicht-von-der-Straße-Fall-Sensoren bei einer Begegnung teilweise
ausweichen - da kann man was draus machen!).
Trotzdem: Wir werden uns an die Beispiele oben machen ...


So - das war einmal eine Sammlung von Gedanken dazu, auf was wir uns da
eingelassen haben :-) 

Grüße
Harald


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