[Squeak-ev] Re: SqueakInf11-Schlager Anmerkungen

Markus Schlager m.slg at gmx.de
Die Mar 13 19:45:15 UTC 2007


> > > Das mag aus deiner Sicht ja alles stimmen, aber im Schulsystem kann man
> > > nicht machen, was man will, selbst wenn man davon überzeugt ist, recht zu
> > > haben. Veränderungen erreicht man nur schrittweise, frag mal die Leute,
> > > die das seit Jahren versuchen!
> > Kein Problem. Da maile ich einfach mal durch, wer mir Ansprechpartner nenen
> > kann, die im Kultusministerien in den Gremien sitzen, und genau denen
> > schreibe ich dann ein kleines Pamphlet, mit Codebeispielen, und dringenden
> > Vorschägen zur Änderung .... nicht länger als 1 A4-Seite... und dann mal
> > schauen, was passiert ... vielleicht noch in die F.A.Z., Süddeutsche ...
> > Medien aufmerksam machen ...
> Da wünsche ich dir viel Erfolg, wirklich, es wäre schön, wenn es gelänge,
> einflussreiche Leute von Squeak zu überzeugen. 
> > > Man muss sich da mit Beamten auseinandersetzen, die den Kern des Problems
> > > gar nicht erfassen.
> > Das läßt ich in wenige Worte packen.
> Das Problem dabei ist, die Relevanz zu erkennen. Wenn du das mit wenigen
> Worten sagen kannst, dann würde ich mich freuen, wenn du mir einen kurzen
> Abschnitt schicken könntest. Ich komme hin und wieder in die Lage, Squeak
> Leuten vorzustellen, die es zu überzeugen lohnt.

> > >  Es wird an verschiedenen Stellen versucht, Smalltalk und Squeak in die
> > > Schulen zu bringen und das ist eine Sysiphos-Arbeit.
> > Jepp.
> > >  Es ist ein Wunder, dass noch nicht alle aufgegeben haben. Wenn man dann
> > > noch kommt und alles umwerfen will, weil es veraltet ist und keine Zukunft
> > > hat, braucht man entweder einen Schulleiter, der einem freie Hand lässt
> > > (was wohl kaum vorkommen dürfte), oder eine Privatschule, in der man sich
> > > zwar auch an die Vorgaben der Rahmenrichtlinien halten muss, aber viel
> > > mehr Gestaltungsspielraum hat oder man kann gleich einpacken. Also
> > > versucht man es "durch die Hintertür", orientiert sich an den Vorgaben und
> > > benutzt alternative Software.
> > >   
> > Naja, an das Curriculum muß man sich wohl halten ... wo man aber die
> > Schwerpunkte setzt, bleibt Lehrern überlassen. Meiner Meinung nach scheitert
> > es an vernünftig ausgearbeiteten Unterrichtseinheiten für Smalltalk/Squeak,
> > und genau daran schreibe ich auch mit ...
> Das ist gut. Wenn ein Lehrer ein Lehrbuch vorliegen hat, auf deutsch
> natürlich, dann ist das schon die halbe Miete:)


Hallo Guido!

Das würde ich gern konkret machen. Erst einmal Dank an Rita für die
Einschätzung der Lage. Das meiste davon erlebe ich täglich genau so.  
Eine Anmerkung aber (jedenfalls zu Situation in Bayern): Es ist keineswegs
so, daß ein im Dienst befindlicher Informatiklehrer (jedenfalls am
Gymnasium) eine Programmiersprache kennt. Das liegt daran, wie dieses Fach
vor zwei Jahren eingeführt wurde: Von heute auf morgen, ohne überhaupt
Lehrer dafür zu haben. So gesehen gehöre ich mit zwei Jahren
Nebenbei-Kompaktstudium zur absoluten Luxusvariante. Der Normalfall in der
Unterstufe (und mangels Stellen und qualifiziertem Personal wird es auch
in der kommenden 9./10. Klasse an vielen Schulen so bleiben) sind Lehrer,
die - vielleicht(!) - eine Fortbildung von maximal einer Woche mitbekommen
haben und zu einem erheblichen Teil nicht einmal Mathematiklehrer sind.
Wenn die *eines* brauchen, dann Material, das sich einfach so einsetzen
läßt. In der Luxusfassung kapiert dank solchen Materials dann außer den
Schülern sogar auch noch der Lehrer, was der eigentlich springende Punkt
am Konzept ist.

Um den Fakten ins Gesicht zu sehen (konkret am bayerischen Gymnasium):

Die Links zu den Lehrplänen (alles ganz kurz, mußte schließlich laut
Vorgabe vom Ministerium pro Jahrgangsstufe auf 2 Din-A4-Seiten passen):

6. Klasse
http://www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1/g8.de/index.php?StoryID=26433
7. Klasse
http://www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1/g8.de/index.php?StoryID=26436
9. Klasse (ab 2008/9)
http://www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1/g8.de/index.php?StoryID=26434
10. Klasse (ab 2009/10)
http://www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1/g8.de/index.php?StoryID=26435

In info 6/7 ist der Zug erst einmal schon abgefahren. Die Schulbücher
sind gedruckt, die betroffenen Kollegen haben sich schon einmal einen Weg
durch das Material gesucht. Diejenigen, die diesen Weg bei künftigen
Durchläufen deutlich variieren werden, sind eine kleine Minderheit
(natürlich hat das auch etwas mit der Qualifikation des Lehrpersonals zu
tun - sollte ich plötzlich etwa Biologieunterricht halten müssen, wäre
ich auch heilfroh, einen Pfad durch den Dschungel gefunden zu haben).

info9 ist im wesentlichen auch schon gegessen - die Schulbücher dürften
bereits bei den Prüfungskommissionen liegen. Wer hier noch Alternativen
ins Rennen bringen will, hat Zeit bis maximal Juli. Dann muß Material im
Netz verfügbar und dafür geworben sein. Die Lehrerfortbildungen laufen
spätestens demnächst an. Bleibt allenfalls info10, wo sich noch wirklich
etwas 'retten' (so man das bewerten will) läßt. Das ist z.B.  ein Grund,
warum ich jetzt an meinen Folien bastle. Damit dann etwas *da* ist und ich
schon einmal sagen kann, ob das überhaupt auch funktioniert. Manko von
meiner Seite: Ich kenne z.B. Squeak noch zu wenig, um abschätzen zu
können, was sich bei den Stundentafeln und Lehrplanvorgaben als Idealziel
aus dem System herausholen läßt.

Konkrete Einladung an Dich: Schau Dir die Lehrplanvorgaben an, stell ein
Konzept (z.B. für die 10. Klasse) zusammen, das Du da für die praktische
Umsetzung vorschlagen würdest und mach es publik. Jemandem wie mir (der
ich gewohnt bin, mir meine Sachen selber zusammenzuschrauben) würden
schon einmal grobe Ideen genügen, damit ich weiß, in welche Richtung es
sich zu denken und zu lernen (bei mir ist es erst die sechste Sprache, in
die ich hineinzuschnuppern anfange)  lohnt. Andere erwarten sicher mehr,
wenn sie das umsetzen sollen - sprich konkrete Inhalte in praktikabler
Portionierung mit Materialien, die sich einsetzen lassen *as is* und vor
allem auch konkreten Ideen für Aufgaben (mit Zeitrahmen!), die man den
Schülern stellt.

Noch konkreter: Im Juli findet an der LMU ein jährlicher 'Tag der
Informatiklehrer' statt. Da kreuzen z.B. auch Leute auf, die mit den
Schulbuchverlagen zu tun haben und teilweise auch die Bücher schreiben.  
Nachdem unter anderem ich lange genug in diesem Umfeld von Alternativen zu
Robot Karol (den ich wirklich nicht geeignet finde, der aber ganz
offensichtlich sämtlichen Buchautoren vor vier Jahren als einziges
unterstufentaugliches Programmierwerkzeug bekannt war - darunter auch ein
Herr Hubwieser, seines Zeichens Professor für Didaktik der Informatik in
München - mithin ein definitiv maßgeblicher Mann) vorgeschwärmt habe
(konkret die eToys und eben Scratch - das durchaus den *Vorteill* hat,
wenig zu können), soll dieses Jahr neben Datenflüssen und
Datenmodellierung ein Thema doch tatsächlich Programmierumgebungen für
info7 werden (obwohl das jetzt schon das zweite Jahr unterrichtet wird).  
Namen, die bislang gefallen sind: Scratch und Alice. Das wäre z.B. eine
Gelegenheit, wo man (z.B. Du) einer sehr konkreten Zielgruppe (die z.B.
auch eng mit http://www.digitale-schule-bayern.de verzahnt ist - durchaus
potentielle Multiplikatoren) einmal etwas zeigen kann - ganz konkret.


Noch zu meinem Material, nachdem mir so schön der Kopf gewaschen wurde:

Was ich dort mache, ist auch nichts Anderes als das, was sich in den
einschlägigen Büchern zu Smalltalk (nur eben nicht auf Deutsch) findet.  
Ob ich eine Schleife nun Schleife, Loop oder Iterator nenne, halte ich
für unerheblich, weil Zählschleifen in OO eben mit Iteratoren realisiert
werden. Wenn das Wort imperativ ein rotes Tuch ist, spreche ich eben von
Kontrollstrukturen - das tut mir nicht weh. Allerdings weiß ich nicht,
wie ich in OO eine Methode ohne Kontrollstrukturen schreiben sollte.
Sprache ohne Grammatik funktioniert auch nicht wirklich gut.

Diskussionen über OO versus imperativ gab es in letzter Zeit erst wieder
auf der edu-sig-Liste (oder eben gerade auch nicht). Ob OO der Weisheit
letzter Schluß ist, halte ich in gewissem Sinne für völlig irrelevant.
Wer weiß, was danach kommt?

Worum es in meinen Augen in Schulfächern wie Mathematik und eben auch
Informatik geht, ist, daß die Schüler exemplarisch an einem (mehr oder
weniger abstrakten - hoffentlich aber schönen (was auch immer 'schön'
bedeuten soll)) Modell Grundtechniken und strukturiertes Denken lernen,
das sie in ganz anderen Kontexten umsetzen können. Daß man in Informatik
Rechner einsetzt, ist nett und schön, hat aber mit der Sache an sich gar
nichts zu tun. Da kann ich mich nur Rita anschließen: Rechner und was man
damit so macht (auch programmieren), sollte etwas sein, das in anderen
Fächern als ein selbstverständliches Vehikel neben anderen einfach so
eingesetzt wird.

Im Moment geht es im Informatikunterricht (bei uns in Bayern jedenfalls)
aber ganz massiv darum, Schülern beizubringen, daß etwa eine
Überschrift etwas anderes ist als großer, fetter Text, oder daß es sich
lohnen kann, in einem Zettelkasten Ordnung zu halten. Was ein Objekt ist,
sollen sie ausgerechnet an so statischen Dingen wie Graphikobjekten und
Textdokumenten lernen, die nun wirklich nicht in intuitiv eingängiger
Weise Nachrichten empfangen und selbst umsetzen.  Daß sich Rita vor dem
Spiegel selbst schminkt, leuchtet natürlich ein, daß sich der
Lippenstift dabei selbst verkleinert und seine Farbe auf Anfrage der Lippe
freiwillig hergibt, schon etwas weniger, und daß ein Rechteck
selbständig unter meinem Mauszeiger mitwandert und nicht von mir
verschoben wird, ist eine ganz andere Geschichte (zumal für eineN
ElfjährigeN).  Dazu kommt dann noch, daß die Informatik aus politischen
Gründen mit den Naturwissenschaften in ein gemeinsames Fach gezwängt
wurde, was sehr für den Sachverstand der entscheidenden Instanzen
spricht.

Aus dem Bauch heraus würde ich übrigens schätzen, daß Dir BotsInc gar
nicht besonders gut gefallen dürfte. Zu eng und zu konservativ. Bin
gespannt auf Deine Kommentare.

Schöne Grüße

Markus
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 Markus Schlager               m.slg(at)gmx.de