[Squeak-ev] Schule war: Scratch in Deutschland/Österreich/Schweiz - und bei squeak.de?
Markus Schlager
m.slg at gmx.de
Son Nov 25 13:22:07 UTC 2007
On Sat, 24 Nov 2007, Esther Mietzsch wrote:
> Am Saturday, 24. November 2007 01:10 schrieb Markus Schlager:
> >
> > Dazu musst du die Lehrpläne lesen, für Bayern
> > <http://www.isb-gym8-lehrplan.de/>. In vier Schuljahren sollen die
> > Schüler die verschiedenen Modellierungstechniken kennen lernen und mit
> > Hilfe von 'Informatiksystemen' umsetzen. Was weitgehend fehlt, ist in der
> > Tat auf Unterrichtsbedürfnisse zugeschnittene didaktische Software. Hier
> > dürfen die Profis gerne ihr Hirnschmalz investieren. Das wichtige im
> > Unterricht ist an sich das Malen von Diagrammen. Wenn es dann Software
> > gibt, in der man dieses Malen von Diagrammen sinnvoll in Resultate
> > umsetzen kann, ist das höchst erfreulich.
> >
>
> Rein subjektiv finde ich es schade, dass die Schüler erstmal Diagramme malen
> und später (wenn ich das richtig verstanden habe: UML in der 10 und
> Programmierung in der 11) wirklich was konstruktiv tun, nämlich
> programmieren. Für mich scheint das ein bisschen so, als würde man in
> Biologie mit dem Zitronensäurezyklus anfangen und in der Oberstufe dann auch
> mal in den Tierpark gehen. Ist das so, oder sehe ich das falsch?
>
Tut mir leid, ich bin nicht auf die Idee gekommen, Informatik als
Schulfach und in dieser Form einzuführne, habe auch nicht die Lehrpläne
geschrieben. Außenstehende (sprich Eltern) erwarten sich von dem Fach
eigentlich so etwas wie informationstechnische Grundbildung oder EDV,
sprich eine Schulung, wie man am Rechner Bilder malt, Texte schreibt,
Präsentationen und Webseiten erstellt. Und dann haben sie schon einmal
davon gehört, daß Rechner doch eigentlich zum Programmieren da sein
sollen. Nun, diese Dinge sind nun wirklich nichts, was ein eigenes
Unterrichtsfach am Gymnasium nötig hat und rechtfertigt, das im
Stundenpool auch noch auf Kosten anderer Fächer geht.
Dem steht auf der anderen Seite ein Konzept der Metakognition gegenüber -
Informatik als ein Feld, in dem über Denkstrukturen und
Modellierungstechniken reflektiert wird. Für einen Unterstufenschüler so
richtig schwierig und für außenstehende erst einmal hochirritieren, daß
man für den Informatikunterricht an sich gar keine Rechner bräuchte.
Also werden in den Lehrplänen die Dienstleistungsfunktion für andere
Fächer (schon einmal einen Text geschrieben, eine Präsentation
gebastelt) mit den zu erlernenden/reflektierenden Denkstrukturen
verbandelt - und das ganze auch noch vor dem Hintergrund zu dem Zeitpunkt
bestehender Software. Die Mühe, hierfür Passendes zu konzipieren,
machten sich die Väter des Faches nicht, nahmen stattdessen einfach das,
was sie eben so kannten (Paradebeispiel 'Robot Karol' als
Programmierlernumgebung, obwohl die Schüler doch vorher Objektorientierung
gelernt haben sollten - oder eben auch jetzt wieder die Java-Schiene, weil
sich offenbar keiner die Mühe machte, auch einmal andere
Programmiersprachen auf ihre didaktischen Qualitäten abzuklopfen und ggf.
die Entwicklung passender Werkzeuge anzustoßen).
Und jetzt stehen wir eben da und die Schüler haben das Problem, daß sie
anhand von Vektorgraphiken, Textdokumenten, Präsentationen und email in
der 6. Klasse
verstehen und verinnerlichen sollen, was Objekte und Klassen sind, in
der 7. Klasse den Einstieg ins Programmieren dann ausgerechnet mit
einer Umgebung lernen sollen, in der es genau ein Objekt (den Robot
Karol) gibt, der Dinge tun und Nachrichten verstehen kann, aber
eigentlich doch keinen eigenen Namen hat, mit dem man ihn ansprechen
könnte. In der 9. Klasse werden dann so Dinge verbrochen, wie
Datenflüsse mit Hilfe von Excel-Tabellen zu vermitteln, in denen man
mir einem Riesenaufwand Rahmen und Pfeile einzeichnen soll, damit die
Tabellen in etwa wie Datenflussdiagramme aussehen. Danach werden dann
Datenbanken modelliert und mit SQL herumgespielt und in der 10. Klasse
darf man dann endlich objektorientiert Programmieren - im Normalfall
ausgerechnet mit Java als Einstiegssprache (ist halt die Sprache der
Schulbücher), bei der die grundlegenden objektorientierten Konzepte in
meinen Augen hinter einem unnötig/verwirrend großen Berg technischer
Details begraben sind und die Sprachsyntax auch nicht gerade ein
Ausbund an Übersichtlichkeit ist.
Ehrlich gesagt, würde es mich nicht zu sehr wundern, wenn die Macher
hier in Bayern die NRW-Links, die Guido unlängst über die Liste
schickte, nicht kennen.
Nun, letztlich handelt es sich hier um politische Entscheidungen, bei
denen viele wohl gar nicht wissen, worum es sich dabei eigentlich
handelt. Und jetzt steht man als Lehrer da und kann sich überlegen, was
von dem Gewünschten/Vorgeschriebenen überhaupt vermittelbar ist und was
eigentlich der Sinn dieses Faches ist. Meine Position ist hier ganz
klar "Mathematikunterricht mit anderen Mitteln" (wobei ich mit
"Mathematik" Mathematik meine, also Denkschulung).
Markus