[Squeak-ev] "Lehrplan für 2 Kinder" ...

Stefan Schmiedl s at xss.de
Fre Okt 22 13:49:51 UTC 2004


Harald M. Müller (2004-10-22 09:49):

> 
> Als Vorbemerkung: Ich bin kein Schullehrer - wahrscheinlich ist die
> Hälfte meiner Fragen bei den wirklich Pädagogen schon gelöst ... weiß
> ich halt nicht :-)

Als ehemaliger Studienreferendar kann ich dir versichern,
dass die meisten Pädagogen bestenfalls theoretische Lösungen
für echte Anwendungsfälle haben :-P

> 
> A. Ich habe naiv und ohne "Lehrplan" begonnen, nur mit folgenden Ideen:

Das ist schon mal die beste Voraussetzung. Lehrpläne sind für die
Pädagogik das, was Wasserfall für die Software-Entwicklung ist.
Die besten Lernerfolge erzielst du dann, wenn du deinen Kindern
das beibringen kannst, was sie gerade als Problem empfinden.

Nachdem du für die "technischen" Fragen hier ausreichend kompetente
Ansprechpartner finden dürftest, plaudere ich etwas über die andere
Seite des Vorhabens.

> 
> Der erste Punkt war, wie gesagt, ziemlich schnell vorbei - eigentlich
> dachte ich, dass ich mit dem "vorgegebenen Material" 2..3 Samstage
> durchhalte; aber wir waren halt alle drei "high" letztes Wochenende.

Kinder sind da unberechenbar ... nicht zuletzt auch die großen :-)

> Nachdem wir die Autos auf der Straße hatten (jedes ca. 5 Mal von vorne
> begonnen ... wegen diversen Problemchen), sind sie uns an scharfen
> Kurven (natürlich, würde der Regelungstechniker sagen ;-) )
> hinausgefahren - also hatten wir schon das erste unerwartete Problem und
> einen offenen Punkt für heute. Lukas und ich hatten jeder eine
> Lösungsidee, Katrin war auch so mit ihren zwei Autos (jedes einzeln
> gezeichnet) zufrieden.

Das ist schon mal eine gute Idee: Mit einem Problem aufhören, über
das man nachdenken kann.

> 
> Auto bauen                -> Agieren, malen 
> Auto fahren lassen        -> automatische Wiederholung verstehen
> Lenken mit 1:1-Verbindung -> Variablen/Slots; und ihre Verbindung
> Lenken mit 1:10           -> Was ist eine Formel
> Automatik                 -> if-then-else; und Sensoren (über Farbe)
> 
> - aber ich bin mir weder sicher, ob das für Kinder relevant ist, noch
> eigentlich, ob es für Erwachsene relevant ist (ich muss in meinem Job
> auch nicht "das if-then-else verstehen", sondern ein Problem mit
> Bedingungen lösen) - daher endet die Liste auch hier.

Die rechte Hälfte ist Kindern egal, da es hier um Abstraktionen geht,
die (vermutlich) für die Altersstufe bedeutungslos sind. Sie ist aber
hilfreich für dich, um herauszukriegen, ob du eine "wesentliche"
Tätigkeit noch nicht behandelt hast. Weißt du aber schon. Für die
Kleinen ist wesentlich, dass sie verschiedene Tätigkeiten im Wechsel
ausüben können, damit es nicht langweilig wird.

> Man könnte - z.B. der Ausbildung in chinesischer Malerei folgend - eben
> auch argumentieren, dass einfach das (Nach- und Selber-)Machen von
> Beispielen das Verständnis fördert. Eine "Zuordnung" zu anderen Dingen
> der Welt können wir später auch noch machen ...

So so ... erstaunlich wie sich die Erkenntnisse gleichen. Ist ja auch
bei manuellen Tätigkeiten so. Die meisten können eine Schleife schon
lange binden, bevor sie mit einer Beschreibung der Tätigkeit auch nur
ansatzweise in Realitätsnähe kommen. Ich würde sagen, du hast mit deinen
Kindern einen sehr guten Weg gewählt.

> B. Ich habe mich jetzt entschieden, dass es auch "Hausaufgaben" geben
> wird oder "Challenges" oder wie man das nennen will: Heute z.B. (Idee
> von Lukas): Auto mit Lenkrad von letzter Woche, aber zusätzlicher
> "Sicherheitsschaltung", die das Auto stoppt, wenn es von der Straße
> herunterfährt.

Prima. Üben tut not. Hoffentlich gibt es ausreichend Rechner im Hause,
um nicht an Abstimmungsproblemen zu scheitern.

> C. Mathematische Formeln in Programmen (Skripts): Die brauchen "Slots"
> oder "freie Werte" oder "Variablen" - was ein Konzept der Algebra ist.
> Das können beide noch nicht (in der Grundschule steht nur Arithmetik und
> - ganz wenig - "Rate-Algebra" auf dem Lehrplan). Wie soll es ablaufen?

Ich kann mich aus der Grundschule dunkel an "Platzhalter" erinnern, die
wir mit so komischen Schablonen gezeichnet haben.

> 
> C1. Das Konzept der Variablen, des "für mich unbekannten; aber dann
> jeweils schon fixierten Wertes" *durch das Programmieren* verstehen und
> auch erklärt bekommen. Das ist ein schwieriges Konzept - ich hab's Lukas
> schon ein paarmal an Beispielen erklärt (und ich bilde mir, sowas für
> [meine] Kinder ganz gut erklären zu können); aber "gezündet" hat es bei
> ihm noch nicht ...

Versuch's mal mit "Abkürzung": Der Buchstabe da steht für eine Zahl,
die der Computer kennt und die zu umständlich hinzuschreiben ist.

> C2. Warten, bis die Schule das auf herkömmliche Art macht (wann? keine
> Ahnung) - aber da beißt sich die Katze in den Schwanz: Wir wollen ja
> (alle?) mit Squeak o.ä. die Lernmethoden verbessern; und glauben auch,
> dass man damit 

äääähhh.. nö. Warte nicht auf die Schule.

> Ich mache wohl weiter wie bisher: Wir machen Beispiele Beispiele
> Beispiele - auch jedes Versehen ist eine Chance zum Wiederholen (z.B.
> wird das Auto halb abgeschnitten, wenn man zu nahe am Rand das "Neu
> zeichnen" aufruft - na, dann halt von vorne: Eine nicht schlechte Art
> von Lernen, wenn man's gern oder selbstverständlich macht).

Beispiele Beispiele Beispiele ist gut, aber
Beispiele Beispiele Beispiele Beispiele ist besser :-)

> Und
> dazwischen greife ich natürlich schon zu Papier und Bleistift und will
> erklären - geht aber schwer, weil beide natürlich weiter am Computer
> herumhantieren ... In "großen" (Erwachsenen-)Kursen passiert mir
> dasselbe, dann werde ich Diktator: "Jetzt hören alle mal auf - auch
> Sie!!"

Boah. Das muss ich auch mal probieren! In einem Lehrsaal habe ich mal
was Nettes gesehen: Ein Knopfdruck und alle Bildschirme sind aus.
Während der Einführungsphase nicht zu empfehlen, weil alle denken, sie
haben den Rechner kaputt gemacht, hinterher aber prima :-)

> Mit den Kindern werde ich wohl - gegen meine "Erklärsucht" -
> einmal wirklich das Gegenteil probieren - denn sie kommen ja doch
> irgendwann mit Fragen, wie alles zusammenhängt - und manchmal sogar
> zuviel davon. Ich muss mich nur drauf einstellen, dass ich darauf warte
> oder wenigstens nur behutsam (durch Beispiele und Aufgaben)
> dorthinsteuere!

Finde ich toll, dass du so was merkst. Wenn du es zulässt, biegen dich
deine Kinder in zwei oder drei Monaten so weit hin, dass du für sie ein
prima Lehrer wirst.

> D. Soll man Beispiele "ausschlachten bis zum Geht-nicht-mehr"?

Nein! Vielleicht irgendwann mal wieder drauf zurückkommen. Aber bloß
nicht auf einer Sache herumreiten. Ebenso wie verschiedene Tätigkeiten
brauchen die Kleinen verschiedene Objekte, auf die sich ihre
Aufmerksamkeit richtet.

> Die Autos werden langsam langweilig, scheint's. Andererseits sind wir
> dort gut genug, um interessante Ergänzungen zu machen und neue Dinge
> auszuprobieren (z.B. der unerwartete Effekt, dass sich zwei Autos mit
> den Nicht-von-der-Straße-Fall-Sensoren bei einer Begegnung teilweise
> ausweichen - da kann man was draus machen!).

Squeak Stock Car Racing :-)

-- 
Stefan Schmiedl