[Squeak-ev] Scratch in Deutschland/Österreich/Schweiz - und bei squeak.de?

Markus Schlager m.slg at gmx.de
Sam Nov 24 18:51:21 UTC 2007


On Sat, 24 Nov 2007, stepken wrote:

> Markus Schlager schrieb:
> > Was soll ich sagen - wer Squeak et al. an die Schulen bringen will, muß
> > die Lehrpläne lesen, auf Lehrerfortbildungen präsent sein und
> > rechtzeitig die Schulbuchverlage anbohren. Für letzteres ist es in Bayern
> > im Grunde schon wieder zu spät. Die kommenden Schulbücher werden
> > Java-Bücher sein. Spätestens im Juli/August 2008 werden sich hier
> > Informatiklehrer auf die Suche machen, wie sie den neuen Lehrplan umsetzen
> > können.
> Naja, die Einarbeitungszeit in Scratch für Mathe/Physik - Lehrer ist doch sehr
> kurz, nur ein paar Stunden. Absolut zumutbar. Damit kann man dann bis zur
> 9./10. Klasse schon viel abdecken, vor allem die "mentalen Modelle" schulen,
> Parametrisierung, Koordinatensysteme (rechtwinklig/polar), beschleunigte
> Bewegung, Wechselwirkungen von Objekten, Eventsteuerung,
> Multitasking/Threading, u.s.w. Ohne diese Grundlagen, didaktisch sauber
> aufeinander aufbauende Modelle sind halt höhere Anforderungen nicht zu
> bewältigen.

Das sehe ich genauso. Erfreulicherweise sind bei unseren 7. Klassen auch 
noch Kraft und Beschleunigung Themen, die in der Physik parallel zur 
Ablaufmodellierung in Informatik liegen, was sich z.B. mit Scratch oder 
auch den eToys in der Tat prima verbinden läßt. 

Bei dem Hinweis auf die Schulbücher für die 10. Klassen ging es mir 
aber insbesondere auch um die Wahl der Programmiersprache, die 
schließlich in der Regel die Erst(programmier)sprache der Schüler sein 
dürfte. So, wie ich zumindest Java kennengelernt habe, erscheint es mir 
für diesen Zweck reichlich ungeeignet. Wie gut man später mit der 
Sprache Geld verdienen kann, wiegt für mich nicht so schwer. Ich muß an 
der Stelle aber auch anmerken, daß ich ein großer Freund von Latein als 
erster Fremdsprache bin.

Die Programmiersprache ist auch in Bayern nicht vorgeschrieben, nur muß 
man natürlich sehen, daß der Einsatz einer anderen Sprache als der in 
den Schulbüchern verwendeten für einen Lehrer erst einmal einen 
erheblichen Mehraufwand bedeutet. Bislang unterrichte ich diese Dinge 
noch im Rahmen eines alten Schulversuchs, für den es ohnehin keine 
Bücher oder sonstige Materialien gibt. Da fällt einem das 
Experimentieren leichter. Auf welches Pferd ich nächstes Jahr dann 
tatsächlich setzen werde, ist noch nicht ganz klar. Python ist bei mir 
mit im Rennen, scheint mir immer wieder praktikabler und auch 
nutzbringender, wenn ich mir beispielsweise anschaue, was einer meiner 
Schüler bei uns in der Systembetreuung so alle mit Python-Skripten 
erledigt. Mit Spannung schiele ich da immer ein wenig auf Projekte 
wie PataPata, die die Funktionalität der Squeak-Entwicklungsumgebung 
auf Python zu übertragen versuchen. 

Ich bin über die eToys auf Smalltalk gestoßen, weil ich auf der Suche 
nach einer Entwicklungsumgebung war, die mir eine Klammer von der 7. 
Klasse zur 10. Klasse ermöglicht. Nur erwiesen sich die eToys als 
lehrplantechnisch ungeeignet, weil wichtige Strukturen nicht zur 
Verfügung standen. Tweak machte mir lange Hoffnung, aber irgendwo kamen 
die eToys2 dann doch nie. Die OLPC-eToys machen hier einiges wett, 
finden aber den Weg nach Squeakland nicht so recht, wie mir manchmal 
scheint. Plötzlich kam Scratch und paßt für die kleinen wie die Faust 
aufs Auge, macht es aber schwerer, hinter die Kulissen zu schauen. Was 
mich an Squeak/Smalltalk fesselt, ist zum einen die Einfachheit, mit 
der man hier die Objekte einfach so zur Hand hat, zum anderen aber auch 
die Community, in der es eine große Tradition zu geben scheint, sich um 
pädagogisch-didaktische Belange zu kümmern, und ich auf ausgesprochen 
hilfsbereite und auch hilfreiche Mailinglisten stoße. 

Das Dilemma, in dem ich stecke, besteht darin, daß ich meinen Schülern 
zwei Dinge beizubringen habe: Denken und Programmieren. Wenn ich mir 
nun die verschiedenen Dinge ansehe, gewinne ich den Eindruck, daß 
Scratch und die eToys ausgesprochen gut zum Denken-Lernen taugen, wobei 
bei den eToys aber immer wieder gewisse Fallen und Überraschungen lauern 
und anspruchsvollere Dinge oft an einem Mangel an passender 
Dokumentation scheitern. Was das Programmieren-Lernen angeht, scheitere 
ich eigentlich immer noch am Schnittpunkt zur Welt außerhalb des 
Images. Das ist für mich ein wesentlicher Unterschied zu anderen 
Sprachen. Dort ist man von Haus aus in der Welt des Dateisystems auf 
dem Rechner und nicht auf einer eigenen Insel mit Verbindungen nach 
draußen. Noch habe ich 'Squeak by Example' nicht gelesen, vielleicht 
wird mir das bei manchen Problemen helfen. 

Ein ganz grundlegener Punkt ist für mich auch folgende Frage: Ist die 
Grundbotschaft, die der Squeak e.V. nach außen zu vermitteln versucht, 
die, daß Squeak im Sinne der eToys eine großartige Umgebung ist, um 
alle möglichen Dinge aus dem richtigen Leben zu lernen? Oder geht es 
primär darum, daß die eToys eine hochwirksame Einstiegsdroge in die 
Welt des Programmierens und der Software-Entwicklung sind? Oder findet 
das alles vor der Folie statt, daß Smalltalk als Sprache dafür 
prädestiniert ist, wesentliche Programmierparadigmata zu erlernen?


> >  Wenn man ihnen bis dahin Material an die Hand geben kann, hat man
> > Chancen, einen Fuß in die Türe zu bekommen.
> >   
> Ich denke, dass ich meine Tuturials auf Scratch umschreibe und dann Video's
> direkt mache. Da kann dann der Lehrer die Kids alleine mit lassen, und die
> können die Lerngeschwindigkeit dann selber bestimmen.

Das ist eine großartige Idee und entspricht genau dem, wie ich mir den 
Unterricht zu einem wesentlichen Teil auch vorstelle. Was ich dabei 
auch sehr spannend und für mich als Lehrer hilfreich finde, ist allein 
schon zu sehen, was 'externe Experten' mit einer Außenperspektive auf 
die Schule aus ihrem Wissen, wozu die Techniken gut sein können, die 
den Schülern vermittelt werden, und ihrer vertieften Kenntnis etwa der 
verwendeten Werkzeuge (beispielsweise eben von Squeak oder den eToys) 
an Beispielen zu deren Erlernung wählen. 

Schöne Grüße

Markus
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 Markus Schlager               m.slg(at)gmx.de