On Sat, 24 Nov 2007, Esther Mietzsch wrote:
Am Saturday, 24. November 2007 01:10 schrieb Markus Schlager:
Dazu musst du die Lehrpläne lesen, für Bayern http://www.isb-gym8-lehrplan.de/. In vier Schuljahren sollen die Schüler die verschiedenen Modellierungstechniken kennen lernen und mit Hilfe von 'Informatiksystemen' umsetzen. Was weitgehend fehlt, ist in der Tat auf Unterrichtsbedürfnisse zugeschnittene didaktische Software. Hier dürfen die Profis gerne ihr Hirnschmalz investieren. Das wichtige im Unterricht ist an sich das Malen von Diagrammen. Wenn es dann Software gibt, in der man dieses Malen von Diagrammen sinnvoll in Resultate umsetzen kann, ist das höchst erfreulich.
Rein subjektiv finde ich es schade, dass die Schüler erstmal Diagramme malen und später (wenn ich das richtig verstanden habe: UML in der 10 und Programmierung in der 11) wirklich was konstruktiv tun, nämlich programmieren. Für mich scheint das ein bisschen so, als würde man in Biologie mit dem Zitronensäurezyklus anfangen und in der Oberstufe dann auch mal in den Tierpark gehen. Ist das so, oder sehe ich das falsch?
Tut mir leid, ich bin nicht auf die Idee gekommen, Informatik als Schulfach und in dieser Form einzuführne, habe auch nicht die Lehrpläne geschrieben. Außenstehende (sprich Eltern) erwarten sich von dem Fach eigentlich so etwas wie informationstechnische Grundbildung oder EDV, sprich eine Schulung, wie man am Rechner Bilder malt, Texte schreibt, Präsentationen und Webseiten erstellt. Und dann haben sie schon einmal davon gehört, daß Rechner doch eigentlich zum Programmieren da sein sollen. Nun, diese Dinge sind nun wirklich nichts, was ein eigenes Unterrichtsfach am Gymnasium nötig hat und rechtfertigt, das im Stundenpool auch noch auf Kosten anderer Fächer geht.
Dem steht auf der anderen Seite ein Konzept der Metakognition gegenüber - Informatik als ein Feld, in dem über Denkstrukturen und Modellierungstechniken reflektiert wird. Für einen Unterstufenschüler so richtig schwierig und für außenstehende erst einmal hochirritieren, daß man für den Informatikunterricht an sich gar keine Rechner bräuchte.
Also werden in den Lehrplänen die Dienstleistungsfunktion für andere Fächer (schon einmal einen Text geschrieben, eine Präsentation gebastelt) mit den zu erlernenden/reflektierenden Denkstrukturen verbandelt - und das ganze auch noch vor dem Hintergrund zu dem Zeitpunkt bestehender Software. Die Mühe, hierfür Passendes zu konzipieren, machten sich die Väter des Faches nicht, nahmen stattdessen einfach das, was sie eben so kannten (Paradebeispiel 'Robot Karol' als Programmierlernumgebung, obwohl die Schüler doch vorher Objektorientierung gelernt haben sollten - oder eben auch jetzt wieder die Java-Schiene, weil sich offenbar keiner die Mühe machte, auch einmal andere Programmiersprachen auf ihre didaktischen Qualitäten abzuklopfen und ggf. die Entwicklung passender Werkzeuge anzustoßen).
Und jetzt stehen wir eben da und die Schüler haben das Problem, daß sie anhand von Vektorgraphiken, Textdokumenten, Präsentationen und email in der 6. Klasse verstehen und verinnerlichen sollen, was Objekte und Klassen sind, in der 7. Klasse den Einstieg ins Programmieren dann ausgerechnet mit einer Umgebung lernen sollen, in der es genau ein Objekt (den Robot Karol) gibt, der Dinge tun und Nachrichten verstehen kann, aber eigentlich doch keinen eigenen Namen hat, mit dem man ihn ansprechen könnte. In der 9. Klasse werden dann so Dinge verbrochen, wie Datenflüsse mit Hilfe von Excel-Tabellen zu vermitteln, in denen man mir einem Riesenaufwand Rahmen und Pfeile einzeichnen soll, damit die Tabellen in etwa wie Datenflussdiagramme aussehen. Danach werden dann Datenbanken modelliert und mit SQL herumgespielt und in der 10. Klasse darf man dann endlich objektorientiert Programmieren - im Normalfall ausgerechnet mit Java als Einstiegssprache (ist halt die Sprache der Schulbücher), bei der die grundlegenden objektorientierten Konzepte in meinen Augen hinter einem unnötig/verwirrend großen Berg technischer Details begraben sind und die Sprachsyntax auch nicht gerade ein Ausbund an Übersichtlichkeit ist.
Ehrlich gesagt, würde es mich nicht zu sehr wundern, wenn die Macher hier in Bayern die NRW-Links, die Guido unlängst über die Liste schickte, nicht kennen.
Nun, letztlich handelt es sich hier um politische Entscheidungen, bei denen viele wohl gar nicht wissen, worum es sich dabei eigentlich handelt. Und jetzt steht man als Lehrer da und kann sich überlegen, was von dem Gewünschten/Vorgeschriebenen überhaupt vermittelbar ist und was eigentlich der Sinn dieses Faches ist. Meine Position ist hier ganz klar "Mathematikunterricht mit anderen Mitteln" (wobei ich mit "Mathematik" Mathematik meine, also Denkschulung).
Markus