On Sat, 24 Nov 2007, stepken wrote:
Markus Schlager schrieb:
Was soll ich sagen - wer Squeak et al. an die Schulen bringen will, muß die Lehrpläne lesen, auf Lehrerfortbildungen präsent sein und rechtzeitig die Schulbuchverlage anbohren. Für letzteres ist es in Bayern im Grunde schon wieder zu spät. Die kommenden Schulbücher werden Java-Bücher sein. Spätestens im Juli/August 2008 werden sich hier Informatiklehrer auf die Suche machen, wie sie den neuen Lehrplan umsetzen können.
Naja, die Einarbeitungszeit in Scratch für Mathe/Physik - Lehrer ist doch sehr kurz, nur ein paar Stunden. Absolut zumutbar. Damit kann man dann bis zur 9./10. Klasse schon viel abdecken, vor allem die "mentalen Modelle" schulen, Parametrisierung, Koordinatensysteme (rechtwinklig/polar), beschleunigte Bewegung, Wechselwirkungen von Objekten, Eventsteuerung, Multitasking/Threading, u.s.w. Ohne diese Grundlagen, didaktisch sauber aufeinander aufbauende Modelle sind halt höhere Anforderungen nicht zu bewältigen.
Das sehe ich genauso. Erfreulicherweise sind bei unseren 7. Klassen auch noch Kraft und Beschleunigung Themen, die in der Physik parallel zur Ablaufmodellierung in Informatik liegen, was sich z.B. mit Scratch oder auch den eToys in der Tat prima verbinden läßt.
Bei dem Hinweis auf die Schulbücher für die 10. Klassen ging es mir aber insbesondere auch um die Wahl der Programmiersprache, die schließlich in der Regel die Erst(programmier)sprache der Schüler sein dürfte. So, wie ich zumindest Java kennengelernt habe, erscheint es mir für diesen Zweck reichlich ungeeignet. Wie gut man später mit der Sprache Geld verdienen kann, wiegt für mich nicht so schwer. Ich muß an der Stelle aber auch anmerken, daß ich ein großer Freund von Latein als erster Fremdsprache bin.
Die Programmiersprache ist auch in Bayern nicht vorgeschrieben, nur muß man natürlich sehen, daß der Einsatz einer anderen Sprache als der in den Schulbüchern verwendeten für einen Lehrer erst einmal einen erheblichen Mehraufwand bedeutet. Bislang unterrichte ich diese Dinge noch im Rahmen eines alten Schulversuchs, für den es ohnehin keine Bücher oder sonstige Materialien gibt. Da fällt einem das Experimentieren leichter. Auf welches Pferd ich nächstes Jahr dann tatsächlich setzen werde, ist noch nicht ganz klar. Python ist bei mir mit im Rennen, scheint mir immer wieder praktikabler und auch nutzbringender, wenn ich mir beispielsweise anschaue, was einer meiner Schüler bei uns in der Systembetreuung so alle mit Python-Skripten erledigt. Mit Spannung schiele ich da immer ein wenig auf Projekte wie PataPata, die die Funktionalität der Squeak-Entwicklungsumgebung auf Python zu übertragen versuchen.
Ich bin über die eToys auf Smalltalk gestoßen, weil ich auf der Suche nach einer Entwicklungsumgebung war, die mir eine Klammer von der 7. Klasse zur 10. Klasse ermöglicht. Nur erwiesen sich die eToys als lehrplantechnisch ungeeignet, weil wichtige Strukturen nicht zur Verfügung standen. Tweak machte mir lange Hoffnung, aber irgendwo kamen die eToys2 dann doch nie. Die OLPC-eToys machen hier einiges wett, finden aber den Weg nach Squeakland nicht so recht, wie mir manchmal scheint. Plötzlich kam Scratch und paßt für die kleinen wie die Faust aufs Auge, macht es aber schwerer, hinter die Kulissen zu schauen. Was mich an Squeak/Smalltalk fesselt, ist zum einen die Einfachheit, mit der man hier die Objekte einfach so zur Hand hat, zum anderen aber auch die Community, in der es eine große Tradition zu geben scheint, sich um pädagogisch-didaktische Belange zu kümmern, und ich auf ausgesprochen hilfsbereite und auch hilfreiche Mailinglisten stoße.
Das Dilemma, in dem ich stecke, besteht darin, daß ich meinen Schülern zwei Dinge beizubringen habe: Denken und Programmieren. Wenn ich mir nun die verschiedenen Dinge ansehe, gewinne ich den Eindruck, daß Scratch und die eToys ausgesprochen gut zum Denken-Lernen taugen, wobei bei den eToys aber immer wieder gewisse Fallen und Überraschungen lauern und anspruchsvollere Dinge oft an einem Mangel an passender Dokumentation scheitern. Was das Programmieren-Lernen angeht, scheitere ich eigentlich immer noch am Schnittpunkt zur Welt außerhalb des Images. Das ist für mich ein wesentlicher Unterschied zu anderen Sprachen. Dort ist man von Haus aus in der Welt des Dateisystems auf dem Rechner und nicht auf einer eigenen Insel mit Verbindungen nach draußen. Noch habe ich 'Squeak by Example' nicht gelesen, vielleicht wird mir das bei manchen Problemen helfen.
Ein ganz grundlegener Punkt ist für mich auch folgende Frage: Ist die Grundbotschaft, die der Squeak e.V. nach außen zu vermitteln versucht, die, daß Squeak im Sinne der eToys eine großartige Umgebung ist, um alle möglichen Dinge aus dem richtigen Leben zu lernen? Oder geht es primär darum, daß die eToys eine hochwirksame Einstiegsdroge in die Welt des Programmierens und der Software-Entwicklung sind? Oder findet das alles vor der Folie statt, daß Smalltalk als Sprache dafür prädestiniert ist, wesentliche Programmierparadigmata zu erlernen?
Wenn man ihnen bis dahin Material an die Hand geben kann, hat man Chancen, einen Fuß in die Türe zu bekommen.
Ich denke, dass ich meine Tuturials auf Scratch umschreibe und dann Video's direkt mache. Da kann dann der Lehrer die Kids alleine mit lassen, und die können die Lerngeschwindigkeit dann selber bestimmen.
Das ist eine großartige Idee und entspricht genau dem, wie ich mir den Unterricht zu einem wesentlichen Teil auch vorstelle. Was ich dabei auch sehr spannend und für mich als Lehrer hilfreich finde, ist allein schon zu sehen, was 'externe Experten' mit einer Außenperspektive auf die Schule aus ihrem Wissen, wozu die Techniken gut sein können, die den Schülern vermittelt werden, und ihrer vertieften Kenntnis etwa der verwendeten Werkzeuge (beispielsweise eben von Squeak oder den eToys) an Beispielen zu deren Erlernung wählen.
Schöne Grüße
Markus ----------------------------------------------- Markus Schlager m.slg(at)gmx.de